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RICHTIG GUT LEBEN

RICHTIG GUT LEBEN

Ein offener Brief an Vladimir Putin

Lieber Herr Putin! 

Ich schreibe Ihnen, zunächst, um Ihnen fröhliche Weihnachten und ein glückliches Neues Jahr zu wünschen.

Die Weihnachtszeit gibt ja manchen Menschen Anlass, zur Besinnung zu kommen, und die Zeit rund um den Jahreswechsel, gute Vorsätze zu fassen. Ob das auch für Sie so gilt?

Also, besinnen wir uns doch einmal darauf, worum es uns wirklich geht! Was wollen wir Menschen eigentlich erreichen mit all dem Guten und Bösen, dem Natürlichen und Verrückten, das wir so tun? Was ist der ursprüngliche Antrieb, der uns im Leben bewegt? Ja, genau! Richtig gut leben wollen wir. Und zwar richtig gut, nicht bloß „eh ganz gut“. Der Drang, richtig gut zu leben, liegt allem, was wir tun und lassen, wollen und ablehnen, zugrunde.

Ich wünschte Ihnen und mir und der ganzen Welt, dass Sie sich die Frage stellten: Warum tue ich Dinge, die zu einem schlechten Leben führen, anstatt mir selbst und anderen und der ganzen Menschheit ein richtig gutes Leben zu bereiten? Warum führe ich Krieg, warum suche ich, anderen Schaden zuzufügen, sie zu vernichten? Warum bin ich sogar bereit, mir selbst zu schaden und meinem Land?

Diese Frage, Herr Putin, ist nicht nur für Sie, sondern für uns alle von Bedeutung. Warum setzen wir Handlungen, und warum hegen wir Gedanken, aus denen uns und anderen alles, nur nicht ein richtig gutes Leben erwächst?


„Aber Herr Putin, dass Sie sich in so schrecklicher Weise als Feind
des Lebens und der Liebe und des Glücks exponieren, das ist schon
ein starkes Stück, meinen Sie nicht?“

Wahrscheinlich geht es uns auch nicht viel anders als Ihnen: Wir kreieren uns mitunter ein schlechtes Leben, weil wir den Bezug zu unserer Wurzel verloren haben, weil wir vergessen haben, was unser ursprüngliches Anliegen ist, nämlich richtig gut zu leben. Ja, und manchmal sind wir einfach nicht fähig, so zu denken, so zu empfinden, so zu kommunizieren und zu handeln, dass es uns und anderen guttut.

Aber Herr Putin, dass Sie sich in so schrecklicher Weise als Feind des Lebens und der Liebe und des Glücks exponieren, das ist schon ein starkes Stück, meinen Sie nicht? Gleichzeitig könnte es uns als Ansporn dienen, uns als Freund des Lebens, der Liebe und des Glücks zu exponieren.

Damit wir uns richtig verstehen: Von welchem Leben reden wir, das wir als richtig gut bezeichnen? Ganz einfach, von einem glücklichen und glückbringenden, einem inspirierten und inspirierenden, einem Leben im Einklang mit uns selbst, anderen und dem Ganzen.

Und Einklang geht Hand in Hand mit Balance – etwa der Balance zwischen Geben und Nehmen, zwischen gedanklichen und körperlichen Aktivitäten, zwischen dem Wirken nach außen und der Innenschau – ein inneres und äußeres Gleichgewicht eben.

Ja, genießen gehört auch dazu, sinnliches Genießen statt bloß konsumieren. Und vor allem, sich in seinem Körper wohlfühlen.

Ohne erfüllende, beglückende Beziehungen, kein richtig gutes Leben. Herr Putin, ich verstehe Sie nicht. Welcher Teufel reitet Sie denn, dass Sie Ihre ganze Kraft darauf verwenden, Unglück zu stiften? Als Unglücksbringer werden Sie schwerlich die Freude liebevoller Beziehungen erleben. Mir verursacht das Kopfschütteln. Aber gut, ich verstehe mich selbst ja auch manchmal nicht.

Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass ein jeder Mensch seine ganz spezifische Aufgabe im Leben mitbekommen hat, dass es für jeden Menschen seinen besonderen Platz in dieser Welt gibt. Ich finde es, beispielsweise, bemerkenswert, wie Sie dieses große Russland aus dem Chaos in ein ruhiges Fahrwasser gesteuert haben. Sie hatten offensichtlich eine Mission, und Sie haben sie erfüllt. Aber jetzt haben Sie wohl Ihr Ziel überlaufen. Suchen Sie sich einen neuen Platz, einen, der Ihren Fähigkeiten und inneren Notwendigkeiten heute entspricht! Suchen Sie sich einen Platz, an dem Sie FÜR etwas brennen, statt sich selbst, Ihr Volk, die Ukraine und die ganze Welt zu verbrennen!


„Ich finde es, beispielsweise, bemerkenswert, wie Sie dieses große
Russland aus dem Chaos in ein ruhiges Fahrwasser gesteuert haben.
Sie hatten offensichtlich eine Mission, und Sie haben sie erfüllt.
Aber jetzt haben Sie wohl Ihr Ziel überlaufen.“

Sinnerfüllung ist natürlich auch Teil eines richtig guten Lebens. Ohne Sinn ist letztlich alles sinnlos. Aber der Sinn des Lebens kann sich doch nicht darin erschöpfen, als etwas zu erscheinen. In Ihrem Fall dreht es sich vielleicht um Ihre männliche Potenz, stärker, mächtiger, durchsetzungsfähiger zu sein. Anderen geht es darum, als hübsch oder intelligent oder fleißig oder wichtig zu gelten. Leben hat doch so viel mehr zu bieten als die flüchtige Befriedigung, dass irgendwelche Zeitgenossen uns in unserer Eitelkeit bestätigen. Vom Beginn bis zum Ende unseres Daseins ruft es uns auf, wir selbst zu sein, uns zu entwickeln, unseren Beitrag für andere und das große Ganze zu leisten.

Das sind nun beispielhaft einige Kriterien dafür, was ich ein richtig gutes Leben nenne. Aber wie kommen wir dazu? Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, Herr Putin, dass wir Menschen immer wirken von unserem ersten bis zu unserem letzten Atemzug? Immer geht eine Wirkung von uns aus, ob wir etwas tun oder es nicht tun, ob wir etwas sagen oder es zurückhalten, vor allem wirken wir durch die Zustände unseres Seins, dadurch wie wir drauf sind. Und wenn wir uns in einer führenden Position befinden, potenziert sich unsere Wirkung, sei sie nun stärkend oder schwächend, Probleme lösend oder Probleme verursachend, zusammenführend oder spaltend, lebensfördernd oder lebensfeindlich. Die Verantwortung für die Qualität unseres Wirkens kann uns niemand abnehmen. Wir selbst sind zuständig für das, was wir in die Welt hinausstrahlen. Und auf Grund dessen, was wir aussenden, kommt uns das Entsprechende wieder zurück. Gerade zu Weihnachten, Herr Putin, böte sich uns die Gelegenheit, zu hinterfragen: Für welche Wirkung bin ich Ursache?

Die Antworten auf diese Frage, sofern sie ehrlich sind, geben Anlass für gute Vorsätze, für die bedingungslose Entscheidung, stärkend, lösend, zusammenführend und lebensfördernd zu wirken, so gut wir es eben vermögen; und zwar für uns selbst, andere und das Ganze, dessen Teil wir sind. Daraus erfolgt zwangsläufig ein richtig gutes Leben. Welcher Erfolg könnte wertvoller sein als dieser? 

 


„Gerade zu Weihnachten, Herr Putin, böte sich uns die Gelegenheit, zu hinterfragen: Für welche Wirkung bin ich Ursache?

Zum Abschluss muss ich Ihnen ein Geständnis machen, Vladimir Vladimirowich. Wenn ich hier Putin schreibe, meine ich damit nicht allein Sie. Unter Ihrem Namen subsummiere ich alle, die sich als Herrscher über Beherrschte aufspielen, die Untertanen – angsterfüllte wie bewundernde, im Notfall auch speichelleckende – brauchen, um sich selbst zu spüren, um sich Wert zu geben, um wer zu sein.

Auch diejenigen packe ich in Ihren Namen hinein, die, wie Sie, Not und Probleme verursachen, die sich selbst Feind sind und in gleichem Maße anderen und der Welt. Für sie alle erlaube ich mir, Ihren Namen zu entlehnen.

Eigentlich gehören auch diejenigen mit Putin bezeichnet, die eine starke Figur brauchen, um sich selbst stark und sicher zu fühlen, die jemanden brauchen, der sie beherrscht, dem sie sich, ihre Moral und ihr Lebensschicksal überantworten. Diejenigen, die im Namen ihres Herrn zum Schlächter werden, bis sie selbst auf der Schlachtbank verenden, sind ebenso Putin wie die scheinbar Machtlosen, die auf „die da oben“ schimpfen und sich als deren Opfer stilisieren. Ohne sie wären Sie, Vladimir Vladimirowich, ein unbedeutender kleiner Mann. 


„Zum Abschluss muss ich Ihnen ein Geständnis machen, Vladimir Vladimirowich. Wenn ich hier Putin schreibe, meine ich damit nicht allein Sie.“

 

Und da gibt es noch eine Gruppe von Menschen, auf die Ihr Name passt: Diejenigen, die einen Bösen, wie Sie einer sind, brauchen, um von ihrer eigenen Bosheit abzulenken, die sich als die Guten fühlen, indem sie Sie verdammen und andere, die sie als böse identifizieren, und dabei letztlich doch sich selbst meinen.

Schließlich habe ich diesen Brief auch mir selbst geschrieben. Denn ein bisschen Putin steckt ja in jedem von uns, auch in mir.

Also, Vladimir Vladimirowich, ich wünsche Ihnen, den Menschen um Sie herum, allen Russinnen und Russen, allen Ukrainerinnen und Ukrainern, uns als ganzer Menschheit frohe Weihnachten und ein richtig gutes Leben.

Wolfgang Stabentheiner

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Über  den Autor

Über den Autor

Wolfgang Stabentheiner zählt zu Europas Coachingpionieren der ersten Stunde. 1990 gründete er FUTURE und entwickelte das erste ICF-zertifizierte Coachingprogramm im deutschen Sprachraum. Er wirkt international als Coach, Autor, Seminarleiter und Vortragender.
Mehrfach rankte man ihn unter die Top 100 der inspirierendsten Menschen im deutschen Sprachgebiet.

Im Laufe der letzten 30 Jahre haben sich ihm an die 2000 Führungskräfte in Seminaren, Coachings und Beratungen anvertraut. Er hat hunderte von Coaches aus vielen Ländern Europas ausgebildet und ungezählte Unternehmen in wichtigen transformatorischen Prozessen begleitet. Seit 2019 widmet er sich ganz dem Thema
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