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RICHTIG GUT LEBEN

RICHTIG GUT LEBEN

Richtig gut leben im Unternehmen

Alles geben, alles gewinnen.

Steine auf den Berg tragen

In den Bergen trifft man mitunter ziemlich extreme Zeitgenossen, auch wenn sie nicht gerade Reinhold Messner heißen. Bei meinen Skitouren begegnete ich mehrfach dem Franz. Er zeichnete sich dadurch aus, dass er nicht Eulen nach Athen, sondern Steine auf Berggipfel trug – Rucksäcke voller Steine. Franz hat es sich schwer gemacht, um seine Fitness zu trainieren. Durchaus sinnvoll. Manche Menschen, MitarbeiterInnen und Unternehmen scheinen es nun aber schwer haben zu wollen, ganz ohne jede sportliche oder anderweitige Zielsetzung. Das führt zu Problemen.

Viele Unternehmen machen es sich unnötig schwer

Viele Unternehmen bürden sich und ihren MitarbeiterInnen gänzlich unnötige Lasten auf und zwar indem sie sich einen Dreck um deren Zufriedenheit scheren. Doch zufriedene MitarbeiterInnen tragen durch ihren Arbeitseinsatz, ihre Ideen und Initiativen, ihre Kooperationsbereitschaft mehr bei für den Erfolg des Unternehmens und die Begeisterung ihrer Kunden als unzufriedene. Zufriedene MitarbeiterInnen sind engagierte MitarbeiterInnen. Unzufriedene MitarbeiterInnen werden selber zu Steinen.

Gemeinsam leichter vorankommen

Das Wohl des Unternehmens und das Wohl der MitarbeiterInnen ist kein Gegensatz!

Man könnte es auch umgekehrt ausdrücken: Unzufriedene Mitarbeiter neigen dazu, auch andere negativ zu stimmen, Streit zu verursachen, Lösungswege zu boykottieren, Kunden zu verärgern.

Eine Situation, die es nicht hinzunehmen gilt wie ein böses Schicksal, sondern die nach Lösung schreit. Es ist abwegig, krank und verrückt, einen Gegensatz zwischen dem ökonomischen Wohl des Unternehmens und dem menschlichen Wohl der MitarbeiterInnen zu konstruieren. Absolut unlogisch, unwissenschaftlich und wider jede praktische Erfahrung. Und vor allem, es ist nicht zukunftstauglich.

20% der Arbeitnehmer haben innerlich gekündigt

An das Bild vom Franz musste ich auch denken, als ich eine Gallup-Umfrage zum Thema Motivation am Arbeitsplatz las, welche besagt, dass jeder fünfte bis sechste Arbeitnehmer in Österreich und Deutschland innerlich gekündigt habe. Weitere 67% der Befragten geben an, wenig motiviert zu sein und mehr oder weniger Dienst nach Vorschrift zu leisten.

Bleiben 16%, die laut dieser Erhebung eine hohe emotionale Bindung zu ihrem Arbeitgeber haben und bereit seien, sich freiwillig und über das geforderte Maß hinaus für dessen Ziele einzusetzen. Nun weiß ich, dass es auch andere derartige Untersuchungen gibt, die zu etwas anderen Ergebnissen kommen, aber der Trend ist vergleichbar. 

Der Trugschluss

Je mehr Druck, je heftiger der Konkurrenzkampf, je unsicherer der Arbeitsplatz, je schlechter die Bezahlung, desto besser gehe es dem Unternehmen, so die weit verbreitete Haltung. Oder anders gesagt: Je abhängiger der Arbeitnehmer vom Unternehmen, desto bereitwilliger lässt er sich vom Unternehmen ausbeuten. Stimmt ja auch – scheinbar. Bei genauerer Betrachtung jedoch stellen sich einige Fragen:

  1. Ist dem Unternehmen mehr gedient mit abhängigen MitarbeiterInnen, die in dem Maße funktionieren, in welchem man sie kontrolliert, sanktioniert und einem hohen Druck aussetzt?

    Oder braucht es aus sich selbst heraus motivierte Menschen, die nicht aus Angst sondern aus Verantwortungsbewusstsein, aus eigener Initiative, aus Freude an ihrer Tätigkeit miteinander kooperieren und das Unternehmen weiterbringen?

  2. Wird man mit Druck und Zwang das Beste aus jungen Menschen hervorbringen, die ganz anders aufwuchsen als frühere Generationen, die das Herzstück ihrer Familie bildeten, denen alles ermöglicht und alles zur Verfügung gestellt wurde, was ihr Herz begehrte?

    Oder gelingt dies eher durch wertschätzende Zuwendung, indem man ihnen etwas zumutet, indem man sie fördert und zu größtmöglicher Selbständigkeit heranführt?

  3. Werfen wir einen Blick ins digitale Zeitalter, in welchem die künstliche Intelligenz viele körperliche und geistige Tätigkeiten übernimmt und den Menschen auf seinen eigentlichen, ihm angestammten Platz zurückdrängt: nämlich Mensch zu sein, kreativ, empathisch, dem Ganzen dienend, dessen Teil er ist!

Welches Konzept entspricht diesem Mensch-sein also besser – die Organisation als eine Art Maschine, und die in der Organisation arbeitenden Menschen als Zahnräder?

Oder entspricht ihm vielmehr das Bild eines lebendigen Organismus, in welchem selbstbewusste, gestalterische Teilgrößen miteinander ein größeres Ganzes bilden? 

Es ist an der Zeit, richtig gut zu leben

Die Idee eines Gegensatzes zwischen dem Wohl des Unternehmens und jenem der im Unternehmen arbeitenden Menschen stammt aus dem 19. Jahrhundert, als sogenannte Massen an Werktätigen, einschließlich Kinder, ihre körperlichen und geistigen Kräfte für einen Hungerlohn an neureiche Fabriksherren verdingten. Das aber gehört in die Mottenkiste der Geschichte und hat nichts mit den Herausforderungen unserer Zeit zu tun. Heute ist das genaue Gegenteil angesagt: RICHTIG GUT LEBEN.

Zwei Seiten der selben Medaille

RICHTIG GUT LEBEN der Führungskräfte und MitarbeiterInnen und RICHTIG GUT LEBEN des Unternehmens bilden zwei Seiten derselben Medaille. Das eine bedingt das andere. RICHTIG GUT LEBEN ist letztlich die Lösung für das durch die Gallup-Umfrage sichtbar gewordene Problem – RICHTIG GUT LEBEN des Unternehmers/der Unternehmerin, der Menschen im Unternehmen und deren Familien, der Kunden und Lieferanten und, nicht zuletzt, des Unternehmens selbst.

Arbeitsplatz als Lebensraum

RICHTIG GUT LEBEN, das beinhaltet  l-e-b-e-n, der Arbeitsplatz als Lebensraum. Nicht 8 Stunden täglich an einem lebensfeindlichen Ort unter lebensfeindlichen, angsteinflößenden Bedingungen verbringen, um dann am Abend und am Wochenende endlich zum Leben zu erwachen! Unter diesen Umständen kommt niemals das Beste des Menschen zur Wirkung.

Und RICHTIG GUT LEBEN beinhaltet, zweitens,  r-i-c-h-t-i-g  g-u-t. Richtig gut lebe ich, wenn das, was ich tue, etwas mit mir zu tun hat, wenn ich einen Sinn darin sehe, wenn ich mich darüber zum Ausdruck bringe, wenn ich mich dabei entfalte, wenn ich Lust dabei verspüre, wenn es meinen Selbstwert hebt.

Arbeit als Lebensaufgabe – Beispiel 1

Als ich einmal ein technisch hochspezialisiertes Unternehmen in einem Veränderungsprozess begleitete, wurde ich Zeuge, wie der Personalvorstand den dort wirkenden Physikern und Mathematikern mit einer Abmahnung drohen musste, weil sie ihre Arbeitszeiten nicht einhielten.

Nein, nein, nicht dass sie zu wenig arbeiteten, sie überschritten permanent die gewerkschaftlich vorgegebene Arbeitszeit, und der Vorstand lief deshalb Gefahr, gerichtlich belangt zu werden. Solltest du, liebe Leserin, lieber Leser, den Grund für ihren Arbeitseifer in Ehefrauen, die mit zum Schlag erhobener Bratpfanne hinter der Wohnungstüre lauern, vermuten, muss ich dich enttäuschen.

Es war schlicht das Interesse an ihrer Arbeit und die Verantwortung für das Gelingen ihrer Projekte, die sie davon abhielt, einen Unterschied zwischen Arbeits- und Freizeit zu machen. Gingen sie doch in ihrer Arbeitszeit ihrem Hobby, ja, ihrer Lebensaufgabe nach.

Tätig-sein ist Teil der menschlichen Natur

Ist Tätig-sein was Besonderes? Nein, es ist das Normalste auf der Welt. Wie fühlt sich ein Kind, wenn es unterbrochen wird, bevor seine Malerei fertig ist? Wie würde ich mich fühlen, wenn mich jemand dazu zwingen würde, diesen Blogeintrag erst morgen fertig zu schreiben? Denken wir an den Pensionisten, der mit Hingabe seinen Garten pflegt! Tätig-sein ist Teil unserer menschlichen Natur.

Gefangen in der Dynamik zwischen Druck und Widerstand

Solange wir einer Kultur frönen, in der Arbeit als etwas dem menschlichen Sein Entfremdetes erlebt wird, sind wir gefangen in der Dynamik zwischen Druck und Widerstand. Diese Gefangenschaft verdient das Prädikat RICHTIG SCHLECHT LEBEN, so schlecht, dass uns far niente – Nichtstun – als dolce, als süß erscheint.

Sag einem Pensionisten, er solle nichts tun, sag es einem Kind, sie würden es als Hölle empfinden. Aber vielen arbeitenden Menschen erscheint diese Hölle als dolce im Vergleich zu ihrer Arbeit. Da liegt doch etwas ganz, ganz tief im Argen!

Alles geben und alles gewinnen – Beispiel 2

Ein prägendes Ereignis meiner Jugendzeit war der Niedergang eines Autohändlers. Damals bedeutete die Repräsentanz einer bekannten Automarke noch ein richtig gutes Geschäft. Aber der Händler wollte ein noch besseres Geschäft machen, baute seinen Kunden alte Ersatzteile ein und berechnete neue, verursachte absichtlich irgendwelche Havarien, sodass Kunden ihr Auto erneut zur Reparatur bringen mussten… Wie nicht anders zu erwarten, blieben die Kunden mehr und mehr fern und ihm wurde die Repräsentanz jener Automarke entzogen. Der Händler wollte mehr und verlor alles. Sein Nachfolger gab alles, indem er seine Kunden begeisterte, und gewann alles. Dasselbe Prinzip ist anwendbar auch auf die Mitarbeiter.

Richtig gut leben zum Nutzen aller

Ich habe allerdings auch schon Unternehmer erlebt, die das alles Geben und RICHTIG GUT LEBEN missverstanden. RICHTIG GUT LEBEN hat nichts mit dolce far niente zu tun und auch nichts mit Überbezahlung. RICHTIG GUT LEBEN geht nicht auf Kosten des Unternehmens sondern zu dessen Nutzen. Auch die Kunden des nachgefolgten Autohändlers lebten nicht auf dessen Kosten gut, sondern zu dessen Nutzen. RICHTIG GUT LEBEN bezieht sich immer auf alle Beteiligten.

Eine Kultur von richtig gut leben – Beispiel 3 und 4

Zum Abschluss noch zwei Beispiele von zwei meiner Kunden. Die Frau eines Mitarbeiters in einem sehr erfolgreichen mittelständischen Bauunternehmen war an Krebs erkrankt und hatte nur noch kurze Zeit zu leben. Die Kollegen aus seiner Abteilung beschlossen auf ihre eigene Initiative hin, ihm zu ermöglichen, seine Frau zu pflegen, und erklärten sich bereit, seine Arbeit zu übernehmen und dazu unbezahlt die anfallenden Überstunden zu leisten. Mit dem Einverständnis der Firmenleitung blieb der Mitarbeiter bei voller Lohnfortzahlung für einige Monate bis zum Ableben seiner Frau zu Hause. So etwas ist nur möglich, wenn eine Kultur von RICHTIG GUT LEBEN im Unternehmen vorherrscht.

Ein großer mittelständischer Maschinenbauer befand sich mitten in einer Auftragsflut. Die Mitarbeiter waren bis auf’s Äußerste gefordert. Da meldete sich ein weiterer Kunde, dass er mit großer Dringlichkeit eine Maschine brauche. Man rief die für dieses Projekt maßgeblichen Mitarbeiter zusammen und überließ ihnen die Entscheidung, den Auftrag anzunehmen oder abzulehnen.

Sie entschieden sich, im Bewusstsein der strategischen Bedeutung des Kunden, den Auftrag anzunehmen, machten das Unmögliche möglich und lieferten dem Kunden mit einer geringen zeitlichen Verzögerung die Maschine aus. Dieses Unternehmen, ich begleite es seit fast 20 Jahren, hat viel investiert in seine Mitarbeiter – bei Weitem nicht nur Geld, sondern Aufmerksamkeit auf die Menschen, auch auf ihre Familien, Freiräume, Möglichkeiten, etwas auszuprobieren, Fehler zu machen… – und viel gewonnen durch ihre Mitarbeiter.

Fazit

Alles geben und alles gewinnen, das ist RICHTIG GUT LEBEN.

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