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RICHTIG GUT LEBEN

RICHTIG GUT LEBEN

Wie Mythen uns blenden und warum wir ohne sie besser leben

Ein Brief an den Frieden und die Freiheit liebende, nach Integration und Emanzipation strebende Menschen

Mythen stiften Gemeinschaft 

Hast du gewusst, dass wir mit maximal 500 Menschen in Kontakt sein können, sodass wir sie
wiedererkennen, ihnen eine Rolle zuordnen, über sie etwas mehr oder weniger Aktuelles auszusagen
wissen, und uns auf diese Weise mit ihnen zusammengehörig fühlen? Mehr geht nicht, und für die
meisten Menschen sind die 500 zu hoch gegriffen.

Wie ist es dann aber möglich, dass sich Angehörige von Religionsgemeinschaften, Staaten, selbst
MitarbeiterInnen multinationaler Konzerne zusammengehörig fühlen, obschon sie einander gar nicht
kennen? Dass sie sich organisieren, ja, dass sie mitunter freiwillig in den Krieg ziehen und ihr Leben
auf’s Spiel setzen für eine scheinbar völlig abstrakte Gemeinschaft?

Es braucht dazu Mythen. Sie müssen in irgendeiner Form dasselbe glauben. Diese Mythen können
mehr oder weniger bewusst und mehr oder weniger nah an der Realität sein. Aber es ist nicht die
Realität, welche die Menschen zu Megagemeinschaften zusammenschweißt, sondern der gemeinsame
Glaube. Beispielsweise der Glaube daran, dass der Wolf böse sei und von ihm Gefahr ausgehe, dass
es gottgefällig sei, ein Kopftuch zu tragen, dass einem erfolgreichen Menschen mehr Ehre zukommen
müsse als einem erfolglosen, dass vegane Speisen gesund seien…

Eine Form von Mythen scheint in besonderer Weise gemeinschaftsstiftend zu wirken: Der Glaube,
Opfer zu sein. Der Opfermythos allerdings schafft nicht nur Zusammengehörigkeit. Überall dort, wo
Gemeinschaften – berechtigter oder unberechtigter Weise – ihre Opferrolle kultivieren, leiten sie
davon die Berechtigung ab, andere zum Opfer zu machen. Hitler, beispielsweise, musste zunächst
Deutschland zum Opfer der Juden hochstilisieren, um schließlich seine „Endlösung“ ausrufen zu
können. Auch die Christen beziehen einen Teil ihrer Identität aus der sogenannten
Christenverfolgung. Kaum waren sie aber selbst irgendwo an der Macht, verfolgten sie die
„Ungläubigen“. Ähnliches können wir überall auf der Welt sowohl in der Geschichte als auch im
gegenwärtigen politischen Geschehen beobachten.


„Es ist nicht die Realität, welche die Menschen zu Megagemeinschaften zusammenschweißt, sondern der gemeinsame Glaube.“

Mythen sind ein Spaltpilz

Gemeinsame Mythen erzeugen ein gemeinsames Empfinden, vollkommen unabhängig davon, ob dieses auf Fakten oder bloßem Glauben beruht. Und dieses gemeinsame Empfinden unterscheidet uns von anderen, die auf Grund anderer Mythen anders empfinden. Trump, beispielsweise, schaffte es, den Mythos der gestohlenen Wahl und der Hexenjagd in die Welt zu setzen. Nahezu die Hälfte der Amerikaner glaubt das. Und dieser Glaube schafft ein gemeinsames Empfinden. Und weil sie so
empfinden, fühlen sie sich zusammengehörig, und sie fühlen sich gemeinsam im Widerspruch zu
jenen, die nicht so empfinden. Und deshalb sind die, die nicht so empfinden, ihre Feinde.

Wer aber sind diejenigen, die nicht so empfinden? Nennen wir sie einfach „den Frieden und die Freiheit liebende, nach Integration und Emanzipation strebende Menschen“. Also Menschen, die glauben, dass es keinen freien Zugang zu Waffen geben sollte, die glauben, dass Flüchtlinge, Minderheiten, Frauen, die Umwelt… des Schutzes bedürfen, die an eine Menschenwürde glauben, zu der auch gehört, dass es der individuellen Entscheidung eines jeden Menschen vorbehalten bleiben sollte, frei zu entscheiden, wie er sein Leben gestaltet, bis hin zur freien Wahl seiner geschlechtlichen Identität… Dabei, so postulieren sie, ende die Freiheit dort, wo sie anderen oder dem größeren Ganzen zum Schaden gereiche.

Dieser Glaube erzeugt ein gemeinsames Empfinden, man fühlt sich auf der Seite der Guten und im Widerspruch zu den anderen, den Bösen. Und genau das, ihr gemeinsamer Glaube an den Mythos von Liberalität, Toleranz und Rücksicht auf das größere Ganze und das entsprechende Empfinden, auf der Seite der Guten zu stehen, lässt sie rigide, intolerant und desintegrativ werden. Zwar engagieren sie sich für das Recht von Frauen auf Abtreibung, aber sie entsetzen sich, wenn jemand einen harmlosen Scherz über Frauen, Schwarze oder Schwule macht oder sich nicht darauf einlässt, gendernd über Sprachbarrieren bis hin zur Unverständlichkeit zu stolpern.

Der Spaltpilz, der in unserer Menschheitsfamilie sein Unwesen treibt, ist der Glaube an irgendwelche
Mythen. Dieser Glaube entfremdet uns von uns selbst, von unserer Selbstverantwortung und unserer
Selbststeuerung. Er macht uns blind für uns selbst, andere und das Ganze.


„Der Glaube an Mythen spaltet unsere Menschheitsfamilie und entfremdet uns von unserer Selbstverantwortung.“

Worin liegt die Lösung? 

Sollten wir Mythen entwickeln, die die Menschheit als Ganzes betreffen? Solche gibt es ja bereits. Dass die Schätze der Natur dazu da seien, von uns Menschen ausgebeutet zu werden, dass es ein Gut und Böse gäbe, die miteinander in Konflikt stehen, dass sich Leben darin erschöpft, Bedürfnisse zu befriedigen, selbst solche, die wir erst mühsam wecken müssen, dass Reichtum das Überleben sichert, Armut es gefährdet, all das sind Mythen, manche realitätsnäher, andere realitätsferner, aber ein großer Teil der Menschheit glaubt daran. Auch Besitz ist ein Mythos oder Sünde oder die Vorstellung gegensätzlicher Welten von Diesseits und Jenseits. Weder sie noch die Mythisierung großer Persönlichkeiten wie Gandhi oder des Dalai Lama haben uns weitergebracht.

Die Lösung liegt darin, dass wir aufhören zu glauben. Nicht weil wir glauben, dass es gut und richtig
sei, die Umwelt zu schützen, sollten wir unseren Lebensstil ändern, nicht aus der Gegnerschaft zu
den Autofahrern sollten wir uns an den Straßen festkleben. Es gilt, uns von der tief im Herzen
wurzelnden Liebe zur Natur und der subjektiv erlebten Verantwortung für die Zukunft unserer
Nachfahren leiten zu lassen, aktiv zu werden. Einfach tun, was uns das Herz aufträgt zu tun, anstatt in
der Gegnerschaft zu anders Empfindenden Energien zu vergeuden. Nicht weil wir uns zu den vielen
Gutmenschen zählen, sollten wir uns für die Integration von Flüchtlingen einsetzen, sondern aus
unserem Mitgefühl und dem erlebten (nicht gedachten) Bewusstsein, dass wir, trotz unserer
Unterschiedlichkeit, alle miteinander verbunden sind. Wenn wir uns die Haus- und Kinderbetreuung
in der Familie fifty-fifty teilen, könnte uns dazu der Fifty-Fifty-Mythos motivieren oder aber die
Freude, gemeinsam unser Zusammenleben zu gestalten.

Also, Ihr den Frieden und die Freiheit liebende, nach Integration und Emanzipation strebende
Menschen, hört auf zu glauben! Lasst Euch von Euch selbst leiten und nicht von irgendwelchen
Mythen, sonst seid Ihr Mitspieler in der Kakophonie derer, die den Streit suchen, die anderen vorschreiben möchten, was richtig und falsch sei, die spalten und unterdrücken! Nicht die Mythen, sondern unser innerer Friede, unsere freie Entscheidung, unser zusammenführendes Herz und unser erlebtes Bewusstsein, das jedem Menschen seinen unermesslichen Wert zuerkennt, sind die spielverändernden Heilsbringer.


„Die Lösung liegt darin, dass wir aufhören zu glauben und beginnen, zu tun, was uns das Herz aufträgt.“

 

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Über  den Autor

Über den Autor

Wolfgang Stabentheiner zählt zu Europas Coachingpionieren der ersten Stunde. 1990 gründete er FUTURE und entwickelte das erste ICF-zertifizierte Coachingprogramm im deutschen Sprachraum. Er wirkt international als Coach, Autor, Seminarleiter und Vortragender.
Mehrfach rankte man ihn unter die Top 100 der inspirierendsten Menschen im deutschen Sprachgebiet.

Im Laufe der letzten 30 Jahre haben sich ihm an die 2000 Führungskräfte in Seminaren, Coachings und Beratungen anvertraut. Er hat hunderte von Coaches aus vielen Ländern Europas ausgebildet und ungezählte Unternehmen in wichtigen transformatorischen Prozessen begleitet. Seit 2019 widmet er sich ganz dem Thema
RICHTIG GUT LEBEN.